Sie sind Deutschlands populärster Schauspieler, wenn auch mehr durch private
Skandale als durch berufliche Leistung. War es das Ziel Ihrer Karriere, diese
Popularität zu erreichen?
HARALD JUHNKE: Nein, eigentlich nicht. Ich hatte zwar damit gerechnet, Karriere
zu machen, aber die Popularität, die ich heute habe, ist beinahe erdrückend,
weil ich mir nicht mehr selbst gehöre. Jeder Schritt, den ich mache, in Richtung
auf ein Mädchen zum Beispiel, hat sofort Konsequenzen. Man beobachtet mich ununterbrochen.
Man fragt, was macht der Juhnke? Trinkt er? Hat er eine neue Geliebte? Ich fühle
mich wie in einen Käfig gesperrt. Man lauert mir auf. Wieso werde ich denn dauernd
belauert? Können Sie mir erklären, warum es am nächsten Tag gleich in der Zeitung
steht, wenn ich nur irgendwo sitze und ein Glas Wein erhebe?
Vermutlich deshalb, weil infolge Ihrer Besäufnis immer wieder Fernsehsendungen
ausfallen und Theatervorstellungen abgesagt werden müssen.
JUHNKE: Gut, aber warum sagt man auf der einen Seite, der Juhnke ist Alkoholiker,
was bedeuten würde, daß ich krank bin, und erwartet auf der anderen Seite, daß
ich mich völlig normal verhalte? Wie kann denn einer, der in einer Fernsehserie
innerhalb einer Stunde sechs verschiedene Rollen spielt*, überhaupt normal
sein? Ich glaube, daß die sehr beamtete Seele des deutschen Fernsehens nicht
weiß, was sie mit mir tun soll. Man weiß, der Juhnke macht große Erfolge, aber
man sieht nicht, daß die Ursache für diese Erfolge bestimmt nicht meine Normalität
ist. Ich meine, es ist doch eine Inkonsequenz zu sagen, Alkoholismus ist eine
Krankheit, und mich gleichzeitig anzugreifen, weil ich dieser Krankheit erliege.
Jemand, der Nierensteine hat, wird doch auch nicht deswegen angegriffen.
Nein, aber er muß sich behandeln lassen.
JUHNKE: Man schlägt mir andauernd vor, ich solle in eine Klinik, um eine Kur
zu machen. Aber das kann ich nicht, denn dort würde ich wahnsinnig werden. Ich
brauch' keine Kur. Ich bin ja kein Alkoholiker im engeren Sinne. Sonst könnte
ich mit dem Trinken ja gar nicht aufhören. Ein Alkoholiker muß, bevor er aufsteht,
erst einmal einen Kognak kippen, sonst kann der sich gar nicht rasieren, weil
ihm die Hände zittern. Der ist ganz dumpf. Bei mir ist das anders. Ich lalle
und sabbele nicht, und ich habe mich auch immer dazu bekannt, daß ich trinke.
Ich bin nicht jemand, der zu Hause auf der Toilette 'ne Buddel versteckt und
dann immer heimlich dorthin geht, um einen Schluck zu nehmen. Ich trinke aus
einer Stimmung heraus, aus Euphorie, wenn ich ganz oben bin und alle denken,
mir geht es wundervoll. Dann will ich diese Hochstimmung halten, diesen glücklichen
Augenblick. Ich sage immer, der Alkohol ist für mich eine Art Fluchtpunkt.
Wovor flüchten Sie?
JUHNKE: Um das herauszufinden, brauche ich einen Psychiater, nicht einen, der
mich heilt, sondern einen, der mir die Ängste und den Druck nimmt, den ich manchmal
empfinde. Ein Psychiater ist jemand, mit dem man reden kann, und danach ist
es vergessen. Würde ich mit meiner Frau über meine Probleme sprechen, würde
sie mir das vierzehn Tage später vorhalten oder mir vielleicht Ratschläge geben,
um mir zu helfen. Aber sie kann mir nicht helfen. Das kann niemand.
Fühlen Sie sich dem, was man von Ihnen verlangt, nicht gewachsen?
JUHNKE: Ich fühle mich oft mir selbst nicht gewachsen. Ich renne weg, wenn ich
der Meinung bin, daß ich keine Höchstleistung bringe. Einem normalen Schauspieler
wäre es scheißegal, wenn er einmal nicht so in Form ist. Der würde dann eben
auf der Bühne etwas langsamer sprechen. Aber ich habe dann im Kopf so eine Sperre.
Wenn ich weiß, daß ich nicht gut bin, bekomme ich Depressionen.
Sie leiden unter Versagensängsten.
JUHNKE: Ja, denn ich habe an mich immer die höchsten Forderungen gestellt, schon
in der Schule. Ich war merkwürdigerweise in Mathematik sehr gut, obwohl ich
gar kein mathematischer Mensch bin. Aber das hab ich begriffen, und dann konnte
ich das, während ich mich in den anderen Fächern, Latein, Sprachen, Geschichte,
was mir heute wahnsinnig leicht fällt, oft überfordert fühlte. Darunter litt
ich, denn ich wollte in allem der beste sein. Sicher spielte da auch meine Herkunft
eine gewisse Rolle. Mein Vater war Polizeibeamter. Nicht daß ich mich schämte,
aber ich dachte, Gott, du bist aus so einfachen Verhältnissen, du wirst vielleicht
von den anderen, die aus höheren Schichten kommen, nicht ernst genommen. Also
war ich besonders fleißig, besonders keß. Ich wollte immer der ulkigste sein
in der Klasse, was ich auch war. Ich habe dauernd Blödsinn gemacht, um das Gefühl
einer gewissen Minderwertigkeit zu kompensieren.
Wußten Sie damals schon, was Sie werden wollen?
JUHNKE: Ich wollte Flieger werden. Meine Vorbilder waren Werner Mölders und
Adolf Galland, diese Luftwaffenhelden. Ich war mit Begeisterung bei der Hitlerjugend,
schon allein deshalb, weil ich dort das Segelfliegen erlernen konnte, was ich
mir privat nicht hätte leisten können. Mein Traum war, als Soldat Karriere zu
machen.
War Ihnen klar, daß das tödlich ausgehen könnte?
JUHNKE: Ja, aber das war mir egal. Der Tod fürs Vaterland war ja damals was
Tolles. Man stellte sich das nicht so vor. Was Sterben bedeutet, habe ich erst
begriffen, als der Krieg fast vorbei war. Ich war durch die Kinderlandverschickung
in die Tschechei gekommen. Dort habe ich erlebt, wie neben mir mein bester Freund
von einer Granate getroffen wurde und tot war. Sein Gesicht war ganz friedlich.
Einen Moment hatte ich das Gefühl, eigentlich ist das ganz schön, der hat es
geschafft, der ist heraus aus allem.
Sie wollten auch sterben.
JUHNKE: Wahrscheinlich. Ich habe auch noch heute oft so Todessehnsucht. Ich
wollte mich auch schon umbringen, aber dann sage ich immer, warum eigentlich?
Es gibt so viele schöne Dinge. Über dieses Thema habe ich oft mit meinem Freund
Harry Meyen** gesprochen vor seinem Selbstmord. Er war zuletzt schon ein ziemlich
kaputter Mann, fing an zu trinken und wurde dann nie mehr nüchtern. Er hat es
einfach nicht überwinden können, daß ihn Romy Schneider verlassen hatte. Er
hat zum Beispiel nie die Vorhänge aufgemacht, das war schon merkwürdig. Da hab
ich zu ihm gesagt, Mensch, Harry, guck doch mal raus, guck doch mal, die schöne
Außenalster, laß uns heut' mal spazierengehen, trinken wir mal jetzt einen schönen
Tee. Aber das konnte er nicht mehr. Also ist er in die Klinik gegangen. Dort
ist ihm alles entzogen worden, der Alkohol, die Tabletten, und nach drei Monaten
hat man ihn ausgerechnet am Ostersonnabend entlassen. Am Ostersonntag hat er
sich aufgehängt. Das genau würde mit mir passieren, würde man mich von der Flasche
abnabeln wollen. Ich hab manchmal Zustände, da glaube ich, daß der Meyen irgendwo
auf mich wartet. Aber ich lebe ja viel zu gern. Ich will noch nicht weg sein.
Was macht das Leben für Sie lebenswert?
JUHNKE: Frauen natürlich. Der Sex ist mir wichtig. Aber das bedeutet nicht,
daß ich mich umbringe, wenn es damit mal vorbei ist. Könnte ich nicht mehr Theater
spielen, das wäre ein Grund. Aber da ich mit wahnsinniger Geschwindigkeit Texte
lerne, muß ich das nicht befürchten. Ich denke, daß mein Kopf da noch lange
mitmacht.
Ihr Kopf schon, aber die Theater werden Sie vielleicht nicht mehr haben wollen,
weil man doch nie genau weiß: Kommt er, oder ist er wieder betrunken?
JUHNKE: Ein Theater, in dem ich spielen kann, finde ich immer. Ich kann so viel.
Ich geh' nicht unter. Es wird immer Leute geben, die mit mir arbeiten wollen,
weil sie sagen, wenn der Juhnke hundert Vorstellungen zusagt und von diesen
hundert dann vielleicht neun nicht spielt, weil er getrunken hat, dann ist mir
das immer noch lieber, weil die einundneunzig Vorstellungen, die er spielt,
bis unters Dach voll sind, während bei einem, der hier brav hundertmal herkommt,
das Theater nicht mal zur Hälfte besetzt ist. Die Leute wollen mich sehen. Denen
ist es völlig wurst, was ich privat alles treibe, und wenn ich zwischendurch
kleine Kinder fresse. Ich bin für die Leute irgendwie ein Idol geworden, wahrscheinlich
ein Idol dieser heutigen Zeit. Vor zwanzig Jahren wäre das noch nicht möglich
gewesen. Aber heute ist es doch so, daß sich die Leute nach Aussteigern sehnen,
also nach jemandem, der wie Juhnke macht, was er will, der sich eine andere
Frau nimmt, der über die Grenzen hinaus lebt, der beispielsweise auch keine
Angst hat vor seinen Vorgesetzten, sondern sagt, heute hab ich keine Lust aufzutreten.
Wenn mir ein Intendant oder ein Regisseur nicht gefällt, dann sage ich zu dem,
du bist doch eine faule Nuß. Dann werde ich vielleicht rausgeschmissen. Aber
das ist mir egal. Ich lebe den Leuten vor, was sie sich wünschen, aber wozu
ihnen der Mut fehlt. Ich versteh' manchmal gar nicht, warum sie mich alle so
lieben, aber sie lieben mich.
Woran merken Sie das?
JUHNKE: An den Briefen, die ich bekomme. Die gehen oft bis zur Selbstaufgabe.
Die Leute haben gar keine Hemmungen. Die sagen auch nicht Herr Juhnke, sondern
Harald. Ein Taxifahrer hat neulich zu mir gesagt, Harald, Mensch, bleib doch
bloß in Berlin, da machst du brav dein Theater, machst dein Fernsehen, in München***
flippst du nur wieder aus, da sind die doofen Weiber, die bringen dich auf dumme
Gedanken. Also die Leute leben richtig mit mir. Ich glaube, das hat es in dieser
Größenordnung noch nie gegeben. Mich hat der Helmut Schmidt, als er noch Kanzler
war, einmal besucht. Ich spielte gerade in Hamburg Theater. Er saß drei Stunden
in meiner Garderobe, das fand ich erstaunlich. Er sagte, Harald, Sie könnten
eigentlich in die Politik gehen, denn Sie haben etwas, was auch mir nachgesagt
wird, Sie haben Charisma. Das hat auch der große Schauspieler und Regisseur
Fritz Kortner zu mir gesagt. Wir trafen uns in der Wiener Eden-Bar, das ist
so ein Nobelschuppen. Ich sang das Lied des Mackie Messer aus der »Dreigroschenoper«.
Da sagte Kortner, oh Gott, Juhnke, Sie machen eine große Karriere, aber Sie
werden, wenn Sie erfolgreich sind, angegriffen. Genauso ist es passiert. Es
gibt Kollegen, die sagen, der Juhnke hat sich Dinge geleistet, da wäre ein anderer
längst weg vom Fenster. Aber ich schaffe es immer wieder, nach oben zu kommen.
Darüber sind die Kollegen natürlich sauer.
Meinen Sie jetzt Rudi Carrell, der Sie einen »Arschkriecher« nannte?
JUHNKE: Nein, den meine ich nicht, denn der hatte ja nicht ganz unrecht. Er
sagte, der Juhnke ist jemand, der so viel draufhat, der hat auf dem Showsektor
eigentlich gar nichts verloren, der ist so vielseitig, was will der bei uns?
Im Grunde wollte er damit zum Ausdruck bringen, daß eine Sendung wie »Musik
ist Trumpf« unter meinem Niveau war, was ja nicht falsch ist.
Welche Arbeit würde Ihrem Niveau denn entsprechen?
JUHNKE: Mein Wunsch war es immer, seriöses Theater zu spielen. Ich müßte richtig
gefordert werden. Also Rudolf Noelte zum Beispiel, der ja ein großer deutscher
Regisseur ist, will mit mir unbedingt »Die Hose« von Sternheim machen. Noelte
sagt, ich fordere den Juhnke so sehr, daß er an der Arbeit Spaß hat, daß er
nicht ausflippt. Ich könnte mir vorstellen, daß er damit recht hat. Das Fernsehen
hatte doch vor, aus mir einen lieben netten Peter Alexander zu machen. Aber
das geht nicht. Dagegen habe ich mich mit allen Krawallen und Skandalen gewehrt.
Wissen Sie, was ich schon überlegt hab? Ob ich nicht in die DDR gehen sollte,
um dort wieder ganz normal Theater zu spielen. Ich könnte in Magdeburg, obwohl
das eine schlimme Stadt ist, sehr glücklich sein, wenn ich dort am Theater der
erste wäre. Ich will meine Ruhe haben.
Glauben Sie, Sie würden es aushalten in dieser Ruhe?
JUHNKE: Na, ganz ruhig wird es ja nie sein. So unberühmt kann ich gar nicht
mehr werden. Die absolute Ruhe habe ich erst, wenn ich tot bin. Nur diese Massenpopularität
will ich jetzt schon abbauen. Wenn Juhnke heute Ärger hat mit dem Sender Dingsbums,
steht darüber morgen in »Bild« eine Geschichte. Das war früher nicht so. Nehmen
Sie zum Beispiel einen Mann wie Hans Albers. Das war ein richtiger Alkoholiker.
Der hat im Atelier beim Schminken schon eine halbe Flasche Kognak getrunken.
Aber kein Mensch hätte sich erlaubt, den in die Klatschspalte zu schieben.
Der hat auch nicht ständig die Zeitungen mit dem neuesten Klatsch beliefert.
JUHNKE: Was soll ich denn tun, wenn mich die Bild-Zeitung anruft? Soll ich sagen,
leckt mich am Arsch? Das kann ich nicht sagen.
Warum nicht?
JUHNKE: Weil das Leute sind, mit denen ich sehr gut ein Glas Wein trinken kann.
Aber es ist doch so, daß ich die Presse letzten Endes nur auf die Schippe nehme.
Ich erzähle denen immer Weibergeschichten, die sie dann schreiben. Aber die
stimmen überhaupt nicht.
Nie?
JUHNKE: Doch, manchmal schon.
Stimmt es, daß Sie Uschi Glas an den Haaren gezogen haben?
JUHNKE: Nein, Blödsinn. Ich hatte mich in die Uschi verliebt, ich glaube, sie
auch in mich. Aber sie war zu dieser Zeit schon mit ihrem Mann zusammen. Mein
Problem ist, daß die Frauen Angst vor mir haben, weil sie sagen, der ist so
ichbezogen, dem möchte ich mich nicht in die Hände geben. Mit mir wollen sie
sich eigentlich nur amüsieren, weil sie wissen, ich bin bestimmt nicht
langweilig, mit mir ist dauernd was los, ich bin auch im Bett ganz gut,
vielleicht nicht besser als jeder andere, aber auf jeden Fall ist es mit mir immer
lustig, also nicht nur so ein Gebumse und dann die toten Momente, sondern da
wird diskutiert, da wird Phantasie freigesetzt. Mir haben schon Hausfrauen
geschrieben, die wollten es mit mir in der Küche treiben.
Was
antworten Sie denen?
JUHNKE: Gar nichts. Ich erreiche beim Trinken einen Punkt, wo ich den Sex gar
nicht mehr will. Wahrscheinlich könnte ich dann auch nicht mehr. Dann will ich
allein sein, alleine trinken, Musik hören. Ich mag Brahms wahnsinnig gern. Das
geht bei mir von Brahms bis Sinatra. Das kommt auf die Stimmung an. Ich hab
manchmal Stimmungen, die ich ganz bewußt traurig halte. Da muß alles dunkel
sein, da dürfen nur ein paar Kerzen brennen. Ich sitze im Stuhl, rauche eine
Zigarette und denke und komme aus dem Denken nicht mehr heraus. Das wird immer
weiter. Je mehr ich trinke, um so klarer werden meine Gedanken. Es entstehen
natürlich auch wirre Dinge, aber durch das Wirre hindurch habe ich manchmal
Einfälle, die sind ganz erstaunlich.
Warum wollen Sie in diesem Zustand allein sein?
JUHNKE: Ich habe dann zu viel Gefühl.
Und das wird nicht erwidert?
JUHNKE: Na, wer soll das erwidern? Wer will diese Anstrengung des Gefühls,
diese Unbedingtheit schon auf sich nehmen? Ich passe nicht in die heutige Zeit.
Früher, im Mittelalter, wenn Sie ein Raubritter waren, konnten Sie Ihre Braut
einfach rauben und konnten Ihr Leben leben, wie Sie es wollten. Es gab einmal
eine brasilianische Tänzerin, die auf mich großen Einfluß hatte. Da war ich zum
erstenmal wirklich glücklich. Die hat nie aufgepaßt, wieviel ich trinke. Ich
glaube, für mich wäre es das beste, eine Frau zu haben, die auch einen Beruf
hat, zum Beispiel Jil Sander.
Ist Ihnen die jung genug?
JUHNKE: Alter spielt bei mir keine Rolle. Es ist mir erst in letzter Zeit öfter
passiert, daß ich um so viel jüngere Mädchen hatte. Unlängst lernte ich eine
neunzehnjährige Stewardeß kennen, die war ganz cool. Ich habe zu ihr gesagt,
ich bin doch zu alt für dich, stell dir das einmal in zehn Jahren vor. Darauf
hat sie geantwortet: "Harald, das macht doch nichts, in zehn Jahren bin
ich neunundzwanzig, habe durch dich eine Menge Leute kennengelernt, da gehe ich
doch ab wie die Post." Nur was passiert dann mit mir? Ich bin dann alt und
alleine.
Sind sie altersversichert?
JUHNKE: Ich bin bei der Künstlersozialkasse, außerdem habe ich Wertpapiere.
Aber ich verbrauche auch eine Menge. Ich rauche Davidoff, trinke nut die
teuersten Weine, bin kostbar angezogen. Außerdem habe ich große Verpflichtungen
meiner ersten Frau**** gegenüber.
Woran ist Ihre erste Ehe gescheitert?
JUHNKE: Meine erste Frau verehrte kolossal O. W. Fischer. Sie wollte, daß ich
so wäre wie er. Aber das war völlig unmöglich. Ich kann O. W. Fischer nicht
ausstehen, schon allein, wie er spricht, diese verschachtelten Sätze. Das ist
jemand, der sich sein ganzes Leben etwas vorgemacht hat. Wenn den ein
Bühnenarbeiter geduzt hat, wurde er wütend und hat sich das streng verbeten.
Ich kenne Filmleute, die hätten ihm am liebsten eine Lampe auf den Kopf fallen
lassen. Ich bin das genaue Gegenteil. Mich mögen gerade die einfachen Leute.
Gibt es einen Schauspieler, den Sie verehren?
JUHNKE: Ja, Marlon Brando. Den habe ich oft synchronisiert. Brando ist für mich
die Inkarnation des totalen Menschen. In ihm ist alles vereint. Er ist brutal, kann
aber auch hilflos sein wie ein Kind, und aus dieser Hilflosigkeit heraus wird
er bacchantisch, wahrscheinlich um nicht verletzbar zu werden und sich
abzuschotten gegen die Menschen.
In Ihren Memoiren »Die Kunst, ein Mensch zu sein« schreiben Sie, als Kind wären
Sie gern Diktator gewesen.
JUHNKE: Ja, ich wollte der Hitler sein, weil ich dachte, der ist unabhängig,
der kann seine Gedanken so, wie er will, in die Tat umsetzen, was er ja auch
leider gemacht hat. Natürlich bin ich mir des Verbrecherischen daran nicht
bewußt gewesen. Ich sage immer, wenn Hitler gesoffen hätte, hätte es kein
Drittes Reich gegeben, weil durch das Trinken eine gewisse Verbrüderung
erreicht wird, eine Gleichschaltung der Menschen. Man zeigt die Gefühle.
Wie reagierten Sie auf die Meldung vom Tode Hitlers?
JUHNKE: Ich war verzweifelt, weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie es
weitergehen sollte in Deutschland. Ich sah die zerstörten Städte und dachte,
das ist jetzt Wüste, das bleibt so, wir werden von den Russen hier eingekerkert
oder nach Sibirien verschickt. Das war so ein Untergangsdenken.
Wie lang hielt das an?
JUHNKE: Nicht lang. Es ist ja dann rasch wieder bergauf gegangen. 1950 bekam
ich mein erstes Theaterengagement in Neustrelitz. 1953 wurde ich für den Film
entdeckt. Ich bin sehr schnell auf dem Unterhaltungssektor groß eingestiegen,
habe alles gemacht, um zu Geld zu kommen, diese schlimmen Klamottenfilme, für
die ich mich schämte. Aber man lernte Leute kennen. Ich habe mit Hans Albers
gedreht. Ich fühlte mich zu O. E. Hasse sehr hingezogen, zu Hubert von
Meyerinck. In dieser Zeit war ich besonders glücklich, weil ich Freunde hatte,
mit denen ich meine Probleme besprechen konnte. Vielleicht bräuchte ich wieder
eine starke Männerfreundschaft, denn bei allem Selbstbewußtsein, das ich an den
Tag lege, möchte ich mich auch einmal gehen lassen, so daß ich nicht der große
Juhnke bin, sondern mich einer an der Hand nimmt und sagt, nun paß mal auf, das
kriegen wir schon wieder hin. Mir fehlt ein Freund, bei dem ich mich, auf gut
deutsch gesagt, auch mal ausweinen könnte.
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*)
Anspielung auf die ZDF-Fernsehserie "Ein verrücktes Paar" mit Grit
Böttcher
**) Harry Meyen, deutscher Schauspieler und Theaterregisseur, von 1966 bis 1975
mit Romy Schneider verheiratet, nahm sich am 15. April 1979 im Alter von 54
Jahren das Leben
***) Im Frühjahr 1981 spielte Juhnke in »Happy End« von Bert Brecht (Musik:
Kurt Weill) am Münchner Residenztheater. Seine Mitwirkung in »Der Snob« von
Carl Sternheim sagte er ab.
****) Sybil Werden, Schauspielerin und Tänzerin
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Erschienen 1983 in der Märzausgabe des "Playboy"
(gekürzte Fassung)