Interview mit Harald Juhnke 1983



Sie sind Deutschlands populärster Schauspieler, wenn auch mehr durch private Skandale als durch berufliche Leistung. War es das Ziel Ihrer Karriere, diese Popularität zu erreichen?

HARALD JUHNKE: Nein, eigentlich nicht. Ich hatte zwar damit gerechnet, Karriere zu machen, aber die Popularität, die ich heute habe, ist beinahe erdrückend, weil ich mir nicht mehr selbst gehöre. Jeder Schritt, den ich mache, in Richtung auf ein Mädchen zum Beispiel, hat sofort Konsequenzen. Man beobachtet mich ununterbrochen. Man fragt, was macht der Juhnke? Trinkt er? Hat er eine neue Geliebte? Ich fühle mich wie in einen Käfig gesperrt. Man lauert mir auf. Wieso werde ich denn dauernd belauert? Können Sie mir erklären, warum es am nächsten Tag gleich in der Zeitung steht, wenn ich nur irgendwo sitze und ein Glas Wein erhebe?

Vermutlich deshalb, weil infolge Ihrer Besäufnis immer wieder Fernsehsendungen ausfallen und Theatervorstellungen abgesagt werden müssen.

JUHNKE: Gut, aber warum sagt man auf der einen Seite, der Juhnke ist Alkoholiker, was bedeuten würde, daß ich krank bin, und erwartet auf der anderen Seite, daß ich mich völlig normal verhalte? Wie kann denn einer, der in einer Fernsehserie innerhalb einer Stunde sechs verschiedene Rollen spielt*, überhaupt normal sein? Ich glaube, daß die sehr beamtete Seele des deutschen Fernsehens nicht weiß, was sie mit mir tun soll. Man weiß, der Juhnke macht große Erfolge, aber man sieht nicht, daß die Ursache für diese Erfolge bestimmt nicht meine Normalität ist. Ich meine, es ist doch eine Inkonsequenz zu sagen, Alkoholismus ist eine Krankheit, und mich gleichzeitig anzugreifen, weil ich dieser Krankheit erliege. Jemand, der Nierensteine hat, wird doch auch nicht deswegen angegriffen.

Nein, aber er muß sich behandeln lassen.

JUHNKE: Man schlägt mir andauernd vor, ich solle in eine Klinik, um eine Kur zu machen. Aber das kann ich nicht, denn dort würde ich wahnsinnig werden. Ich brauch' keine Kur. Ich bin ja kein Alkoholiker im engeren Sinne. Sonst könnte ich mit dem Trinken ja gar nicht aufhören. Ein Alkoholiker muß, bevor er aufsteht, erst einmal einen Kognak kippen, sonst kann der sich gar nicht rasieren, weil ihm die Hände zittern. Der ist ganz dumpf. Bei mir ist das anders. Ich lalle und sabbele nicht, und ich habe mich auch immer dazu bekannt, daß ich trinke. Ich bin nicht jemand, der zu Hause auf der Toilette 'ne Buddel versteckt und dann immer heimlich dorthin geht, um einen Schluck zu nehmen. Ich trinke aus einer Stimmung heraus, aus Euphorie, wenn ich ganz oben bin und alle denken, mir geht es wundervoll. Dann will ich diese Hochstimmung halten, diesen glücklichen Augenblick. Ich sage immer, der Alkohol ist für mich eine Art Fluchtpunkt.

Wovor flüchten Sie?

JUHNKE: Um das herauszufinden, brauche ich einen Psychiater, nicht einen, der mich heilt, sondern einen, der mir die Ängste und den Druck nimmt, den ich manchmal empfinde. Ein Psychiater ist jemand, mit dem man reden kann, und danach ist es vergessen. Würde ich mit meiner Frau über meine Probleme sprechen, würde sie mir das vierzehn Tage später vorhalten oder mir vielleicht Ratschläge geben, um mir zu helfen. Aber sie kann mir nicht helfen. Das kann niemand.

Fühlen Sie sich dem, was man von Ihnen verlangt, nicht gewachsen?

JUHNKE: Ich fühle mich oft mir selbst nicht gewachsen. Ich renne weg, wenn ich der Meinung bin, daß ich keine Höchstleistung bringe. Einem normalen Schauspieler wäre es scheißegal, wenn er einmal nicht so in Form ist. Der würde dann eben auf der Bühne etwas langsamer sprechen. Aber ich habe dann im Kopf so eine Sperre. Wenn ich weiß, daß ich nicht gut bin, bekomme ich Depressionen.

Sie leiden unter Versagensängsten.

JUHNKE: Ja, denn ich habe an mich immer die höchsten Forderungen gestellt, schon in der Schule. Ich war merkwürdigerweise in Mathematik sehr gut, obwohl ich gar kein mathematischer Mensch bin. Aber das hab ich begriffen, und dann konnte ich das, während ich mich in den anderen Fächern, Latein, Sprachen, Geschichte, was mir heute wahnsinnig leicht fällt, oft überfordert fühlte. Darunter litt ich, denn ich wollte in allem der beste sein. Sicher spielte da auch meine Herkunft eine gewisse Rolle. Mein Vater war Polizeibeamter. Nicht daß ich mich schämte, aber ich dachte, Gott, du bist aus so einfachen Verhältnissen, du wirst vielleicht von den anderen, die aus höheren Schichten kommen, nicht ernst genommen. Also war ich besonders fleißig, besonders keß. Ich wollte immer der ulkigste sein in der Klasse, was ich auch war. Ich habe dauernd Blödsinn gemacht, um das Gefühl einer gewissen Minderwertigkeit zu kompensieren.

Wußten Sie damals schon, was Sie werden wollen?

JUHNKE: Ich wollte Flieger werden. Meine Vorbilder waren Werner Mölders und Adolf Galland, diese Luftwaffenhelden. Ich war mit Begeisterung bei der Hitlerjugend, schon allein deshalb, weil ich dort das Segelfliegen erlernen konnte, was ich mir privat nicht hätte leisten können. Mein Traum war, als Soldat Karriere zu machen.

War Ihnen klar, daß das tödlich ausgehen könnte?

JUHNKE: Ja, aber das war mir egal. Der Tod fürs Vaterland war ja damals was Tolles. Man stellte sich das nicht so vor. Was Sterben bedeutet, habe ich erst begriffen, als der Krieg fast vorbei war. Ich war durch die Kinderlandverschickung in die Tschechei gekommen. Dort habe ich erlebt, wie neben mir mein bester Freund von einer Granate getroffen wurde und tot war. Sein Gesicht war ganz friedlich. Einen Moment hatte ich das Gefühl, eigentlich ist das ganz schön, der hat es geschafft, der ist heraus aus allem.

Sie wollten auch sterben.

JUHNKE: Wahrscheinlich. Ich habe auch noch heute oft so Todessehnsucht. Ich wollte mich auch schon umbringen, aber dann sage ich immer, warum eigentlich? Es gibt so viele schöne Dinge. Über dieses Thema habe ich oft mit meinem Freund Harry Meyen** gesprochen vor seinem Selbstmord. Er war zuletzt schon ein ziemlich kaputter Mann, fing an zu trinken und wurde dann nie mehr nüchtern. Er hat es einfach nicht überwinden können, daß ihn Romy Schneider verlassen hatte. Er hat zum Beispiel nie die Vorhänge aufgemacht, das war schon merkwürdig. Da hab ich zu ihm gesagt, Mensch, Harry, guck doch mal raus, guck doch mal, die schöne Außenalster, laß uns heut' mal spazierengehen, trinken wir mal jetzt einen schönen Tee. Aber das konnte er nicht mehr. Also ist er in die Klinik gegangen. Dort ist ihm alles entzogen worden, der Alkohol, die Tabletten, und nach drei Monaten hat man ihn ausgerechnet am Ostersonnabend entlassen. Am Ostersonntag hat er sich aufgehängt. Das genau würde mit mir passieren, würde man mich von der Flasche abnabeln wollen. Ich hab manchmal Zustände, da glaube ich, daß der Meyen irgendwo auf mich wartet. Aber ich lebe ja viel zu gern. Ich will noch nicht weg sein.

Was macht das Leben für Sie lebenswert?

JUHNKE: Frauen natürlich. Der Sex ist mir wichtig. Aber das bedeutet nicht, daß ich mich umbringe, wenn es damit mal vorbei ist. Könnte ich nicht mehr Theater spielen, das wäre ein Grund. Aber da ich mit wahnsinniger Geschwindigkeit Texte lerne, muß ich das nicht befürchten. Ich denke, daß mein Kopf da noch lange mitmacht.

Ihr Kopf schon, aber die Theater werden Sie vielleicht nicht mehr haben wollen, weil man doch nie genau weiß: Kommt er, oder ist er wieder betrunken?

JUHNKE: Ein Theater, in dem ich spielen kann, finde ich immer. Ich kann so viel. Ich geh' nicht unter. Es wird immer Leute geben, die mit mir arbeiten wollen, weil sie sagen, wenn der Juhnke hundert Vorstellungen zusagt und von diesen hundert dann vielleicht neun nicht spielt, weil er getrunken hat, dann ist mir das immer noch lieber, weil die einundneunzig Vorstellungen, die er spielt, bis unters Dach voll sind, während bei einem, der hier brav hundertmal herkommt, das Theater nicht mal zur Hälfte besetzt ist. Die Leute wollen mich sehen. Denen ist es völlig wurst, was ich privat alles treibe, und wenn ich zwischendurch kleine Kinder fresse. Ich bin für die Leute irgendwie ein Idol geworden, wahrscheinlich ein Idol dieser heutigen Zeit. Vor zwanzig Jahren wäre das noch nicht möglich gewesen. Aber heute ist es doch so, daß sich die Leute nach Aussteigern sehnen, also nach jemandem, der wie Juhnke macht, was er will, der sich eine andere Frau nimmt, der über die Grenzen hinaus lebt, der beispielsweise auch keine Angst hat vor seinen Vorgesetzten, sondern sagt, heute hab ich keine Lust aufzutreten. Wenn mir ein Intendant oder ein Regisseur nicht gefällt, dann sage ich zu dem, du bist doch eine faule Nuß. Dann werde ich vielleicht rausgeschmissen. Aber das ist mir egal. Ich lebe den Leuten vor, was sie sich wünschen, aber wozu ihnen der Mut fehlt. Ich versteh' manchmal gar nicht, warum sie mich alle so lieben, aber sie lieben mich.

Woran merken Sie das?

JUHNKE: An den Briefen, die ich bekomme. Die gehen oft bis zur Selbstaufgabe. Die Leute haben gar keine Hemmungen. Die sagen auch nicht Herr Juhnke, sondern Harald. Ein Taxifahrer hat neulich zu mir gesagt, Harald, Mensch, bleib doch bloß in Berlin, da machst du brav dein Theater, machst dein Fernsehen, in München*** flippst du nur wieder aus, da sind die doofen Weiber, die bringen dich auf dumme Gedanken. Also die Leute leben richtig mit mir. Ich glaube, das hat es in dieser Größenordnung noch nie gegeben. Mich hat der Helmut Schmidt, als er noch Kanzler war, einmal besucht. Ich spielte gerade in Hamburg Theater. Er saß drei Stunden in meiner Garderobe, das fand ich erstaunlich. Er sagte, Harald, Sie könnten eigentlich in die Politik gehen, denn Sie haben etwas, was auch mir nachgesagt wird, Sie haben Charisma. Das hat auch der große Schauspieler und Regisseur Fritz Kortner zu mir gesagt. Wir trafen uns in der Wiener Eden-Bar, das ist so ein Nobelschuppen. Ich sang das Lied des Mackie Messer aus der »Dreigroschenoper«. Da sagte Kortner, oh Gott, Juhnke, Sie machen eine große Karriere, aber Sie werden, wenn Sie erfolgreich sind, angegriffen. Genauso ist es passiert. Es gibt Kollegen, die sagen, der Juhnke hat sich Dinge geleistet, da wäre ein anderer längst weg vom Fenster. Aber ich schaffe es immer wieder, nach oben zu kommen. Darüber sind die Kollegen natürlich sauer.

Meinen Sie jetzt Rudi Carrell, der Sie einen »Arschkriecher« nannte?

JUHNKE: Nein, den meine ich nicht, denn der hatte ja nicht ganz unrecht. Er sagte, der Juhnke ist jemand, der so viel draufhat, der hat auf dem Showsektor eigentlich gar nichts verloren, der ist so vielseitig, was will der bei uns? Im Grunde wollte er damit zum Ausdruck bringen, daß eine Sendung wie »Musik ist Trumpf« unter meinem Niveau war, was ja nicht falsch ist. 

Welche Arbeit würde Ihrem Niveau denn entsprechen?

JUHNKE: Mein Wunsch war es immer, seriöses Theater zu spielen. Ich müßte richtig gefordert werden. Also Rudolf Noelte zum Beispiel, der ja ein großer deutscher Regisseur ist, will mit mir unbedingt »Die Hose« von Sternheim machen. Noelte sagt, ich fordere den Juhnke so sehr, daß er an der Arbeit Spaß hat, daß er nicht ausflippt. Ich könnte mir vorstellen, daß er damit recht hat. Das Fernsehen hatte doch vor, aus mir einen lieben netten Peter Alexander zu machen. Aber das geht nicht. Dagegen habe ich mich mit allen Krawallen und Skandalen gewehrt. Wissen Sie, was ich schon überlegt hab? Ob ich nicht in die DDR gehen sollte, um dort wieder ganz normal Theater zu spielen. Ich könnte in Magdeburg, obwohl das eine schlimme Stadt ist, sehr glücklich sein, wenn ich dort am Theater der erste wäre. Ich will meine Ruhe haben.

Glauben Sie, Sie würden es aushalten in dieser Ruhe?

JUHNKE: Na, ganz ruhig wird es ja nie sein. So unberühmt kann ich gar nicht mehr werden. Die absolute Ruhe habe ich erst, wenn ich tot bin. Nur diese Massenpopularität will ich jetzt schon abbauen. Wenn Juhnke heute Ärger hat mit dem Sender Dingsbums, steht darüber morgen in »Bild« eine Geschichte. Das war früher nicht so. Nehmen Sie zum Beispiel einen Mann wie Hans Albers. Das war ein richtiger Alkoholiker. Der hat im Atelier beim Schminken schon eine halbe Flasche Kognak getrunken. Aber kein Mensch hätte sich erlaubt, den in die Klatschspalte zu schieben.

Der hat auch nicht ständig die Zeitungen mit dem neuesten Klatsch beliefert.

JUHNKE: Was soll ich denn tun, wenn mich die Bild-Zeitung anruft? Soll ich sagen, leckt mich am Arsch? Das kann ich nicht sagen.

Warum nicht?

JUHNKE: Weil das Leute sind, mit denen ich sehr gut ein Glas Wein trinken kann. Aber es ist doch so, daß ich die Presse letzten Endes nur auf die Schippe nehme. Ich erzähle denen immer Weibergeschichten, die sie dann schreiben. Aber die stimmen überhaupt nicht.

Nie?

JUHNKE: Doch, manchmal schon.


Stimmt es, daß Sie Uschi Glas an den Haaren gezogen haben?

JUHNKE: Nein, Blödsinn. Ich hatte mich in die Uschi verliebt, ich glaube, sie auch in mich. Aber sie war zu dieser Zeit schon mit ihrem Mann zusammen. Mein Problem ist, daß die Frauen Angst vor mir haben, weil sie sagen, der ist so ichbezogen, dem möchte ich mich nicht in die Hände geben. Mit mir wollen sie sich eigentlich nur amüsieren, weil sie wissen, ich bin bestimmt nicht langweilig, mit mir ist dauernd was los, ich bin auch im Bett ganz gut, vielleicht nicht besser als jeder andere, aber auf jeden Fall ist es mit mir immer lustig, also nicht nur so ein Gebumse und dann die toten Momente, sondern da wird diskutiert, da wird Phantasie freigesetzt. Mir haben schon Hausfrauen geschrieben, die wollten es mit mir in der Küche treiben.

Was antworten Sie denen?

JUHNKE: Gar nichts. Ich erreiche beim Trinken einen Punkt, wo ich den Sex gar nicht mehr will. Wahrscheinlich könnte ich dann auch nicht mehr. Dann will ich allein sein, alleine trinken, Musik hören. Ich mag Brahms wahnsinnig gern. Das geht bei mir von Brahms bis Sinatra. Das kommt auf die Stimmung an. Ich hab manchmal Stimmungen, die ich ganz bewußt traurig halte. Da muß alles dunkel sein, da dürfen nur ein paar Kerzen brennen. Ich sitze im Stuhl, rauche eine Zigarette und denke und komme aus dem Denken nicht mehr heraus. Das wird immer weiter. Je mehr ich trinke, um so klarer werden meine Gedanken. Es entstehen natürlich auch wirre Dinge, aber durch das Wirre hindurch habe ich manchmal Einfälle, die sind ganz erstaunlich.


Warum wollen Sie in diesem Zustand allein sein?

JUHNKE: Ich habe dann zu viel Gefühl.

Und das wird nicht erwidert?

JUHNKE: Na, wer soll das erwidern? Wer will diese Anstrengung des Gefühls, diese Unbedingtheit schon auf sich nehmen? Ich passe nicht in die heutige Zeit. Früher, im Mittelalter, wenn Sie ein Raubritter waren, konnten Sie Ihre Braut einfach rauben und konnten Ihr Leben leben, wie Sie es wollten. Es gab einmal eine brasilianische Tänzerin, die auf mich großen Einfluß hatte. Da war ich zum erstenmal wirklich glücklich. Die hat nie aufgepaßt, wieviel ich trinke. Ich glaube, für mich wäre es das beste, eine Frau zu haben, die auch einen Beruf hat, zum Beispiel Jil Sander.

Ist Ihnen die jung genug?

JUHNKE: Alter spielt bei mir keine Rolle. Es ist mir erst in letzter Zeit öfter passiert, daß ich um so viel jüngere Mädchen hatte. Unlängst lernte ich eine neunzehnjährige Stewardeß kennen, die war ganz cool. Ich habe zu ihr gesagt, ich bin doch zu alt für dich, stell dir das einmal in zehn Jahren vor. Darauf hat sie geantwortet: "Harald, das macht doch nichts, in zehn Jahren bin ich neunundzwanzig, habe durch dich eine Menge Leute kennengelernt, da gehe ich doch ab wie die Post." Nur was passiert dann mit mir? Ich bin dann alt und alleine.

Sind sie altersversichert?

JUHNKE: Ich bin bei der Künstlersozialkasse, außerdem habe ich Wertpapiere. Aber ich verbrauche auch eine Menge. Ich rauche Davidoff, trinke nut die teuersten Weine, bin kostbar angezogen. Außerdem habe ich große Verpflichtungen meiner ersten Frau**** gegenüber.

Woran ist Ihre erste Ehe gescheitert?

JUHNKE: Meine erste Frau verehrte kolossal O. W. Fischer. Sie wollte, daß ich so wäre wie er. Aber das war völlig unmöglich. Ich kann O. W. Fischer nicht ausstehen, schon allein, wie er spricht, diese verschachtelten Sätze. Das ist jemand, der sich sein ganzes Leben etwas vorgemacht hat. Wenn den ein Bühnenarbeiter geduzt hat, wurde er wütend und hat sich das streng verbeten. Ich kenne Filmleute, die hätten ihm am liebsten eine Lampe auf den Kopf fallen lassen. Ich bin das genaue Gegenteil. Mich mögen gerade die einfachen Leute.

Gibt es einen Schauspieler, den Sie verehren?

JUHNKE: Ja, Marlon Brando. Den habe ich oft synchronisiert. Brando ist für mich die Inkarnation des totalen Menschen. In ihm ist alles vereint. Er ist brutal, kann aber auch hilflos sein wie ein Kind, und aus dieser Hilflosigkeit heraus wird er bacchantisch, wahrscheinlich um nicht verletzbar zu werden und sich abzuschotten gegen die Menschen.

In Ihren Memoiren »Die Kunst, ein Mensch zu sein« schreiben Sie, als Kind wären Sie gern Diktator gewesen.

JUHNKE: Ja, ich wollte der Hitler sein, weil ich dachte, der ist unabhängig, der kann seine Gedanken so, wie er will, in die Tat umsetzen, was er ja auch leider gemacht hat. Natürlich bin ich mir des Verbrecherischen daran nicht bewußt gewesen. Ich sage immer, wenn Hitler gesoffen hätte, hätte es kein Drittes Reich gegeben, weil durch das Trinken eine gewisse Verbrüderung erreicht wird, eine Gleichschaltung der Menschen. Man zeigt die Gefühle.


Wie reagierten Sie auf die Meldung vom Tode Hitlers?

JUHNKE: Ich war verzweifelt, weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie es weitergehen sollte in Deutschland. Ich sah die zerstörten Städte und dachte, das ist jetzt Wüste, das bleibt so, wir werden von den Russen hier eingekerkert oder nach Sibirien verschickt. Das war so ein Untergangsdenken.

Wie lang hielt das an?

JUHNKE: Nicht lang. Es ist ja dann rasch wieder bergauf gegangen. 1950 bekam ich mein erstes Theaterengagement in Neustrelitz. 1953 wurde ich für den Film entdeckt. Ich bin sehr schnell auf dem Unterhaltungssektor groß eingestiegen, habe alles gemacht, um zu Geld zu kommen, diese schlimmen Klamottenfilme, für die ich mich schämte. Aber man lernte Leute kennen. Ich habe mit Hans Albers gedreht. Ich fühlte mich zu O. E. Hasse sehr hingezogen, zu Hubert von Meyerinck. In dieser Zeit war ich besonders glücklich, weil ich Freunde hatte, mit denen ich meine Probleme besprechen konnte. Vielleicht bräuchte ich wieder eine starke Männerfreundschaft, denn bei allem Selbstbewußtsein, das ich an den Tag lege, möchte ich mich auch einmal gehen lassen, so daß ich nicht der große Juhnke bin, sondern mich einer an der Hand nimmt und sagt, nun paß mal auf, das kriegen wir schon wieder hin. Mir fehlt ein Freund, bei dem ich mich, auf gut deutsch gesagt, auch mal ausweinen könnte.

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*) Anspielung auf die ZDF-Fernsehserie "Ein verrücktes Paar" mit Grit Böttcher


**) Harry Meyen, deutscher Schauspieler und Theaterregisseur, von 1966 bis 1975 mit Romy Schneider verheiratet, nahm sich am 15. April 1979 im Alter von 54 Jahren das Leben

 
***) Im Frühjahr 1981 spielte Juhnke in »Happy End« von Bert Brecht (Mu­sik: Kurt Weill) am Münchner Residenztheater. Seine Mitwirkung in »Der Snob« von Carl Sternheim sagte er ab.

 
****)  Sybil Werden, Schauspielerin und Tänzerin

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Erschienen 1983 in der Märzausgabe des "Playboy" (gekürzte Fassung)